Wie der
Leipferdinger Ur-Strohmann entsteht
Stroh ist ein uralter
bäuerlicher Rohstoff und zugleich winterliches Symbol. Dass somit Stroh wegen seiner symbolischen Bedeutung in dem im Brauchtum verwurzeltem Volksglauben Eingang fand, ist verständlich. So findet man
noch in allen Brauchtumsgebieten das Stroh und die Strohfigur in der Reihe der Winter- und Frühlingsbräuche, aber nur einmal als Fasnachtsfigur. Somit ist der Leipferdinger Urstrohmann die einzige
Fasnachtstrohfigur im Brauchtumsgebiet, die sich ohne Unterbrechung überliefert hat. (Der Singener „hoorige Bär" ist zwar auch eine Fasnacht-Strohfigur, weist aber im Gegensatz zu unserem Urstrohmann
eine längere Unterbrechung auf.)
Die folgenden Zeilen sollen nun aufzeigen, wie viel
Handgriffe nötig sind, um aus einem ansehnlichen Haufen Stroh einen echten Leipferdinger „Straumaa" herzustellen. Selbst die ältesten Dorfbewohner können sich noch entsinnen, dass schon in ihrer
Kinderzeit der Strohmann in Erscheinung trat.
In den frühen
Nachmittagsstunden des Schmutzigen Donnerstags begab sich ein großgewachsener, vorher bestimmter Bursche in die Scheune eines ebenfalls vorher festgelegten Bauernhofes. Dorf wurde ihm das
bereitgelegte Stroh mehr oder weniger sorgfältig mit Schnüren Stück um Stück um den ganzen Körper gebunden, bis zuletzt nicht einmal mehr die Nasenspitze zu sehen war. Der so völlig eingesperrte Narr
wurde dann mitgeführt, wenn der Narrenbaum im Wald eingeholt und nachher auf dem Latschariplatz gesetzt wurde. Abends entledigte man den Strohmann in der nämlichen Scheune seiner ungemütlichen
Bekleidung, indem ihm das Stroh kurzerhand vom Leibe riss.
Heute hat der
Strohmann aus Leipferdingen ein kultiviertes, jedoch nicht minder originelles und traditionsbewusstes Aussehen. Hierzu ist allerdings ein gehöriges Stück Arbeit nötig. Für das Strohgewand eignet sich
am besten Haferstroh. Da jedoch die Halme lang und ungebrochen sein müssen, können bei der Gewinnung des Strohs keine neuzeitlichen Erntemaschinen, wie zum Beispiel Mähdrescher, eingesetzt werden.
Die Arbeit muss vielmehr wie früher vonstatten gehen. Die gut ausgereiften Haferhalme werden mit der Sense schnitten, von Hand weggenommen, in Garben gebunden und diese zum Trocknen
aufgestellt.
In der Scheune des
Narrenvaters wird der Hafer mit Dreschflegeln ausgedroschen und das Stroh aussortiert. Dabei sucht man die schönsten Halme heraus. Diese werden sorgfältig gebündelt, über einer Schnur geknickt, so
dass sie an beiden Seiten parallel herunterhängen und dann miteinander verflochten und zusammengenäht.
Bald ist es Zeit
für die erste Anprobe. Auf grobem Leinenstoff werden die vorher gefertigten Strohreihen in einem Kreis aufgenäht. Wie bei einem Ziegeldach müssen die einzelnen Lagen übereinander liegend, so dass
eine Art Flecklesgewand entsteht. An den Händen und Beinen bindet man die letzen Strohreihen zusammen. Besonders originell sind die Strohschuhe, die ungewöhnlich land sind, da man das Stroh um vier
zusammengedrehte Drähte wickelt.